Praxis Dr. med. Stephan von Arx

Arnika

Gedankensplitter

So viel Medizin wie nötig, so wenig wie möglich und verantwortbar
(Feststellungen zu den Entwicklungen im Gesundheitswesen, Dez. 2016, Dr. Stephan von Arx)

Die Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien steigen stetig. Längst müssten Fakten und Faktoren dafür sorgfältig abgeklärt werden. Doch Politiker und Ökonomen finden die Schuldigen für diese Entwicklung meist schnell: Die Ärzte. Ein „Kurz-Schluss“. Nur auf die Ärzte zu zielen, ist zu einfach. Auch deshalb zeigen die bisherigen Massnahmen an Preisen und Tarifen – gemessen am Ganzen – nur wenig Erfolg. Die Kostenentwicklung beruht auf einem vielschichtigen Zusammenspiel aller Leistungserbringer und Patienten und kann nur gemeinsam entschleunigt werden. Ansätze dazu lassen sich bestimmt finden.

Selbstbedienung in der Gesundheitspflege

Das Gesundheitswesen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Zwar vertrauen viele Patienten nach wie vor der Empfehlung des Arztes, doch locken zugleich zahlreiche alternative Behandlungsmöglichkeiten. Subtile Werbung an Vorträgen, in Fachartikeln oder Gesundheitssendungen schüren Interesse, wecken Begehrlichkeiten oder Hoffnung. Dadurch hat sich ein Gesundheitsmarkt entwickelt, der sowohl Konsumenten wie auch Anbieter beeinflusst und kostentreibende Verhaltensmuster begünstigt. Dem Arzt eröffnen sich damit oft nicht nur neue Therapiemöglichkeiten, sondern auch neue Einnahmequellen. Für den Patienten verleihen neue Therapieformen Hoffnung -wenn auch teilweise unbegründet. Welche Kriterien und Motivationen prägen Entscheide von Ärzten und Patienten? Welche Überlegungen drängen sich auf?

Masshalten heisst die Zauberformel auf allen Ebenen

Das Gesundheitswesen ist eine wichtige Errungenschaft unserer Gesellschaft und muss als Gesellschaftsaufgabe weitergeführt werden. Jeder ist aufgerufen kritisch aber aufbauend mitzudenken, Ideen und Vorschläge für Verbesserungen einzubringen, Kompromisse einzugehen. Dafür braucht es zuerst ein sorgfältiges Analysieren der Fakten.

„Heilung ist möglich, die Forschung schafft neue Methoden…..“ Dieser Grundtenor prägt die Medizin der letzten Jahrzehnte. Er beruht auf grossartigen Entwicklungen wie beispielsweise der Pharmakologie  (wie Cortison, Antibiotika, Onkotherapie in der Hämatologie), der Herzchirurgie oder dem endoskopische Verfahre. Aus diesen Erfolgen wird sehr viel Hoffnung geschöpft, doch sie sind Ausnahmen. Eine unkritische Fortschritts-Hoffnung  ist deshalb auch in der Medizin oft realitätsfremd. Es gilt zudem, alles Neue nicht nur auf die Wirksamkeit sondern auch auf die Nachhaltigkeit, den echten  Patienten-Nutzen und die ökonomische Tragbarkeit zu überprüfen.

Jeder Arzt oder Anbieter von Gesundheitsleistungen ist auf mehreren Ebenen gefordert: Er ist seinen Patienten verpflichtet und zugleich Unternehmer oder einem Unternehmen unterstellt. Jeder Betrieb, sei es ein Dienstleistungs- oder Produktionsunternehmen, muss nach betriebswirtschaftlichen  Prinzipien geführt werden. Nur so kann er überleben.  Doch die Gewinnmaximierung darf in der Medizin nicht die einzige Antriebsfeder sein. Dies widerspricht den ethischen Grundsätzen. Im Vordergrund steht: Eine angemessene Behandlung mit optimaler Qualität und minimalen Kosten. Zugleich besteht auch unter den Anbietern ein wachsender Wettbewerb. Jede Klinik, jeder Arzt will am „schnellsten“ und „gründlichsten“ sein. Dies bewirkt oft eine unnötige und teure diagnostische und therapeutische Hyperaktivität, ohne  wirklichen Patienten-Nutzen. Es macht Sinn, den Einsatz von Therapien mit den Patienten zu diskutieren und sorgfältig abzuwägen und gemeinsam den Weg zu bestimmen.

Den Patienten fällt damit im Gesundheitsmarkt mehr Verantwortung zu. Sie sind aufgefordert, aktiv ihren Behandlungsprozess mitzugestalten. Diese Fragen stehen dabei im Vordergrund: Wie kann ich persönlich die Genesung unterstützen? Welche Behandlungen und Therapien entsprechen mir und bin ich bereit, mit Übungen und Verhaltensänderungen im Alltag zu unterstützen? Wichtig ist, dass die Patienten Therapien wählen, die für eine Heilung notwendig sind – jedoch nicht beliebig Therapien testen, nur weil die Versicherung die  Kosten trägt. Die Krankenversicherung ist eine Risiko- und keine Sparversicherung, bei der von Zeit zu Zeit Kapital oder Rendite abgeholt werden kann. Aber nicht jeder Franken muss als medizinische Leistung zurückgeholt werden.

Um all diese Anliegen richtig aufeinander abstimmen zu können, lohnt es sich, die Begriffe Krankheit und Gesundheit vorgängig zu analysieren.

Krankheit: Wenn Körper, Geist oder Psyche rebellieren

Der gesunde Mensch befindet sich im Gleichgewicht. Geist, Psyche und Körper sind ausgewogen. Diesen Zustand beschreibt der Begriff Allostase. In diesem Zustand kann sich der Mensch an Belastungen anpassen und lernt neue Herausforderungen zu bewältigen. Diese Erfahrungen speichert er im Körper ab, integriert sie in sein Leben und vererbt sie gar teilweise.

Akute oder fortwährend intensive Herausforderungen können den Menschen belasten und die Allostase ins Wanken bringen. Der Organismus reagiert auf die Fehl- oder Überbelastung mit Alarmreaktionen, die die Betroffenen häufig als Krankheitssymptome deuten.

Sie warnen, dass die Belastung akut oder langfristig zu gross ist, und Schaden anrichten kann. Die Symptome zeigen sich akut oder chronisch, in den Bereichen Psyche (z.B. Depression), geistig (z.B. psychotische Entwicklung) oder körperlich (in allen uns beschäftigenden körperlichen Störungen „von Kopf bis Fuss…“). Symptome widerspiegeln also einen überlasteten Zustand des komplexen Systems „Mensch“.

Nicht Symptome beseitigen, sondern Ursachen behandeln

Symptome sind Reaktionen, jedoch nicht die Krankheit selbst. Beseitigung dieser Symptome bedeutet deshalb nicht unbedingt Heilung. Aber genau das passiert heute häufig: Oft behandeln Ärzte die warnenden Symptome und meinen die Krankheit zu heilen.

Beachten wir jedoch bei der Therapie die tieferliegenden Ursachen nicht, die die Alarmreaktionen ausgelöst haben, drohen als Folge der Symptomunterdrückung chronische Krankheiten. Bei bekannten schädlichen Einflüssen wie beispielsweise dem Rauchen liegt es auf der Hand, dass wir nicht nur den Husten unterdrücken sondern zum Rauchstopp ermahnen. Dasselbe gilt auch bei allen anderen Krankheitssymptomen. Die Ursachen herauszuschälen bedeutet eine grosse Herausforderung für Ärzte wie auch für Patienten.

Krankheit entsteht also sehr oft durch einen nicht erkannten, überlastenden und damit schädigenden Einfluss. Häufig manifestiert sie sich auf Organen, die schon bei Vorfahren im Fokus standen. Diese können verschiedene Ausprägungen aufweisen, die der jeweiligen Individualität, des erkrankten Menschen entsprechen. Wir finden also sehr oft eine persönliche Reaktionsweise resp. “Schwachstelle“. Dies äussert sich beispielsweise als ein Krankheitsbild mit  entzündlicher (z.B. Pneumonie), als gutartig wuchernder (z.B. Polyp) oder als degenerativ-destruktiver (zerfallender maligner Tumor, Arthrosen etc.) Form. Es zeigen sich die verschiedensten Manifestationen, solitär oder gemischt, in  benigner oder maligner Ausprägung. Erst die Analyse einer Krankheitsentwicklung (Anamnese) führt deshalb zu einer individualisierten Therapie und damit zu einer klaren Vorstellung, wie fatale Verläufe abgeschwächt oder gar verhindert werden können:

Die Ursache bestimmt die Therapie

Sobald die Ursache einer Störung erkannt ist, kann über die Behandlung entschieden werden. Ist eine Behandlung überhaupt notwendig (z.B. bei banaler, auch akuter-banaler Krankheit). Ist eine Behandlung überhaupt noch möglich?

Allgemein ist die heutige Medizin versucht, bei banalen akuten Störungen zu oft, zu rasch und zu intensiv zu behandeln. Antreiber dafür ist das Komfortgefühl. Man will sich wohlfühlen, nicht „leiden“, am Arbeitsplatz nicht fehlen. Diese Taktik kann schaden und zu teuren Folgekrankheiten führen. Denn eine Behandlung nach den aktuellen Guidelines mittels evidence based medicine führt nicht selten zu so genannten Nebenwirkungen, die aber eigentliche Folgekrankheiten – häufig chronische Krankheiten – sind. Es existieren aber therapeutische Alternativen, die nicht Symptom unterdrückend wirken. Sie bedingen aber die Erkenntnis der Krankheits-Ursache und die Planung einer adäquaten masshaltigen und nachhaltigen Behandlung.

Wissen über das Wesen der Menschen vertiefen

Der Grundstein für eine individuelle, nachhaltige Behandlung liegt somit in der Anamnese. Doch wie lässt sich die Krankheitsentwicklung unter Berücksichtigung der persönlichen Voraussetzungen nachvollziehen oder voraussehen? Dazu muss ein breites Wissen über das Wesen des Menschen in psychischer und körperlicher Hinsicht vorliegen – sowohl bei Ärzten als eventuell auch bei Patienten (Gesunden und Erkrankten).

Ärzte: Beruf und Berufung

Die Grundgesetze der Biologie, der Anthropologie, der Physiologie, Psychologie, der angewandten Medizin sowie Spezialisierungen bilden das Fundament eines Arztes. Sie gehören zum Pflichtprogramm während des Studiums. Zur Kür gehört die Bildung einer kommunikativen Kompetenz sowie einer empathischen und rücksichtsvollen Haltung des Arztes gegenüber dem Patienten und seinen Angehörigen. Sie kann im Studium nicht einfach erarbeitet werden, sondern beruht oft auf Eigenschaften, die ein Student in sich trägt. Ihnen muss bei der Auswahl der Studienanwärter grosses Gewicht beigemessen werden.

Eine wichtige Aufgabe obliegt in diesem Bereich auch den lehrenden, Dozenten sowie dem medizinische Kader im Spital. Sie sind aufgefordert, die ärztliche Grundhaltung als Ausbildner und Vorbilder vorzuleben und zu fördern und bei den Studierenden zu wecken. Ihnen muss dazu die nötige Zeit eingeräumt werden. Neben den sozialen Aspekten gilt es auch, die Studenten zu einem nachhaltigen Umgang (Indikation und nicht Amortisation) mit technischen Geräten heranzuführen.

Dadurch lassen sich folgende Lerninhalte ableiten:

  • Profunde Kenntnisse der umfassenden biologischen Grundlagen des Menschen in gesundem und krankem Zustand.
  • Studium der Anthropologie und der Physiologie. Es lässt Eigenheiten und Verhaltensmuster des Menschen sowie krankheits-spezifischen körperlichen Phänomene verstehen.
  • Schulung der Anamnese (z.B. nach Prof. Low)
  • Studium der Ätiologie: Dabei zentral die modernen Kenntnisse über den schädlichen Stress = Distress
  • Studium der evolutiven Prozesse resp. der Anpassungsfähigkeit des Lebendigen  auf der Zeitachse einerseits und die Zunahme  der Anforderungen der umgebenden Welt andererseits – sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart.
  • Differenzierung von Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Besonnenheit und Reflexion bei diagnostischen und therapeutischen Überlegungen und in deren Umsetzung stehen dabei im Fokus.
  • Schulung der Patientenwahrnehmung: Individualität des Kranken, seine Belastbarkeit, für das Leben (Herausforderung oder Überforderung), für die Krankheit und für die Therapie.
  • Aktualität anstreben durch lebenslanges Lernen und Selbstreflektion.
  • Also: choosing wisely! (siehe Anhang.  Top five etc.)

 

Selbstverantwortung der Patienten

Gesundheit, Krankheit ,Therapie, Heilung – im Zentrum steht immer der Patient. Er ist direkt betroffen. Deshalb soll er die Verantwortung nicht an Ärzte oder Therapeuten delegieren, sondern selber aktiv bleiben. Wichtige Aufgaben dabei sind: Überforderungen erkennen, Gesundheitsvorsorge ernst nehmen, Hysterie aufgrund von Fehlinformationen vermeiden (TV-Serien) etc.

 

Folgende Hinweise führen zur Selbstverantwortung der Patienten:

  • Verantwortungsbewusste Auswahl von Informationsquellen
  • Gesundheitserziehung in der Familie und in der Schule mit dem Ziel: Selbstkompetenz bezgl. Gesundheit/Krankheit.
  • Anwendung von Hausmittel lernen
  • Komplementärmedizin nutzen
  • Medikamente gezielt einsetzen (in Absprache mit Arzt oder Apotheker)
  • Patientenverfügung verfassen und regelmässig aktualisieren

 

Fazit: So viel Medizin wie nötig, so wenig wie möglich und verantwortbar

Bei Erkrankten besteht der verständliche Wunsch, möglichst rasch wieder in einen komfortablen Zustand zu gelangen, sei es bei psychischer oder körperlicher Störung, in leichter oder schwerer Ausprägung. Der Medizin begegnet diesem Wunsch mit rasch wirksamen Medikamenten, Untersuchungen etc. Eine rasche Wiederherstellung der vollen vorherigen Funktion wird erzwungen, teilweise mit negativen  Folgen. Die eventuell nötige Erholungszeit  wird kaum oder zu wenig  berücksichtigt. Gesundheitliche Störungen zu analysieren verlangt vom Arzt eine gute Wahrnehmung. Handelt es sich nicht um eine akut-banale Störung ist eine Diagnostik und Therapie nach ausgewogener Beurteilung und Würdigung aller Umstände – mit Vorteil durch ein Team – anzustreben. Damit sinkt das Risiko einerFehlbeurteilung (mit Behandlungsfehlern und ökonomischen Folgen) durch eine Einzelperson deutlich. Gerade auch neue Krankheitsbilder, die beispielsweise durch Distress entstehen, bedürfen genauer Abklärungen. Ihre Ursachen liegen häufig in gesellschaftlichen Strukturen und sind oft schwer fass- und veränderbar. Gerade beim Thema „Stress“ ist die Grenze zwischen der förderlichen Anregung und der schädigenden Aufregung schmal. Das Eine vom Andern zu trennen braucht Achtsamkeit und Geduld – vom Arzt wie vom Patienten. Ein Miteinander ist angezeigt. Als Folge können chronische  Krankheitsverläufe vermindert und die Kooperation mit dem Patienten verbessert werden.

 

Verfasst und ergänzt 2011-2016 von

Dr. med. Stephan von Arx

 

 

 

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